kolumnen-fee?

Taugt das was? Daumen hoch, Daumen runter!

Wednesday, June 27, 2007


Das 80er-Mode-Revival

Was habe ich zu Beginn dieses Frühlings über das Revival der 80er-Mode geschimpft. Leggins, Miniröcke, billlige Sweat-Shirts in knalligen Farben mit sinnlosen Aufdrucken wie „Under the Rainbow“ oder „Saturday Night Girl“. Ich habe gelästert und gelacht, mir meinen Spaß mit den sogenannten „Fashion-Victims“ gemacht, die einfach alles tragen. Schließlich habe ich sogar Todesstrafe auf Leggins gefordert.

Bewahre, das Foto zeigt nicht mich! Hab ich heimlich bei ZARA geschossen.

Um so unverständlicher war es, als mich plötzlich der sogenannte „Lagen-Look“ in seinen Bann zog. Ich weiß nicht, was in diesem Moment in mich fuhr... Aber ich hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, unter meinen neu erworbenen kurzen Jeans-Rock eine schweinchenrosa Trainingshose (so eine mit Streifen auf der Naht) zu ziehen.
Eigentlich bilde mir ja auch ein, über ein nicht unbeträchtliches Maß an modischem Urteilsvermögen zu verfügen. Zumindest erkläre ich mir so die unzähligen Samstagvormittage, die ich vor H&M-Kabinen ausharrend verbrachte, um verzweifelten Freundinnen und Freunden mit Rat und Tat beim Kleiderkauf zur Seite zu stehen.

Und plötzlich so etwas: rosa Trainigshose unter blauem Jeansrock.

Nun ja. Wofür hat man eine beste Freundin? Das ist ein Notfall! Und so wähle ich mit zitternden Fingern die Nummer dieser guten Frau. „Duuuuu, ich bin kurz davor, die größte Modesünde meines Lebens zu begehen... es sei denn, du hältst mich davon ab!“, erkläre ich ihr mit einer Mischung aus zarter Abenteuerlust und dem starken Verlangen danach, dass einfach jemand kommt und mir sagt, was ich darf und was nicht.

Na, was willst du denn anziehen?“, fragt sie vorsichtig. Ich erkläre ihr, welche Modesünde ich zu begehen denke. Ich erinnere: rosa Trainigshose unter blauem Jeansrock.

Hmm“, brummt sie ins Telefon. (Sie will Zeit zum Überlegen gewinnen. Das merke ich schon.)

Du kannst das natürlich tragen! Wenn du bereit bist, den Blicken anderer stand zu halten... Und, wenn es dir nichts ausmacht, dass sie erst recht komisch gucken, wenn du morgen wieder in Jeans und Bluse aufschlägst“, meint sie. (Ihre Stimme klingt inzwischen so, als würde sie betont ruhig mit einem Kind reden, das am Telefon gerade erklärt hat, den Gashahn aufdrehen zu wollen.) Okayokay. Es liegt alles in meiner Hand.

Aber“, fügt sie besänftigend hinzu, „du könntest die Kombination ja auch erst mal zu Hause tragen. Du weißt schon: zum drangewöhnen.“

Sie hat Recht. Ich habe während des Telefonats bereits die rosa Hose ausgezogen und bin schon dabei, meine Beine mit Selbstbräuner tageslichttauglich zu machen. Aber die Hose wird diesen Sommer noch ihren Auftritt kriegen. Versprochen.

...die Fortsetzung

Heute ist es soweit. Der Tag ist gekommen!
Die Kombination aus rosa Trainigshose und blauem Jeansrock soll unter die Leute gehen. Eine Mischung aus übermütiger Stimmung und einem gewissen Maß an Extrovertiertheit verleiteten mich dazu, es zu wagen.
Um wirklich einen neuen Trend zu setzen, vollende ich diese Kreation noch mit einem rosa T-Shirt. Mutig verlasse ich das Haus und steuere den Supermarkt meines Vertrauens an. Nun wohne ich in einem Viertel, das zwar größtenteils mit Jungakademikern und Bürgerlichen bestückt ist, aber immer stärker drängt es auch Alternative in unsere Gefilde. Das heißt: In besagtem Supermarkt blickt man schon auch mal in ein Gesicht, das sieben Piercings zieren oder es reißt mal einer mit seinen Dreadlocks die Eier-Pyramide vor der Kühltheke um. Als ich in meinem detailvollendeten Trendsetter-Outfit auftauche, sind nur Normalos in Jeans und Pullis anwesend. Ich fühle buchstäblich, wie ich die Blicke auf mich ziehe. Ich bin unabhängig und stark! Ich setze Trends! Komisch, dass ich mich ganz schnell auf die Auswahl der allernötigsten Artikel beschränke, um zügig nur Kasse zu gehen. Der Verschluss der Gummibänder, die unten durch die Beine der Traningshose gezogen sind, schlagen mit jedem Schritt, den ich mache, auf den Boden und geben dabei ein eigenartiges Geräusch von sich: Als tapse ein Hund übers Parkett. Alles easy. Nur ganz schnell zur Kasse! Ich bewege mich in etwa so, als merke ich bei Nacht an einer dunklen Straßenecke, dass mir jemand folgt. ur nicht rennen. Das zeigt, dass ich Angst habe. Ruhig einen Fuß vor den anderen setzen, keine Panik zeigen. Als ich die Kasse erreicht habe, mustert die Kassierein mein Outfit mit fragendem Blick. Raus, aufs Rad und heim. Vielleicht ist heute doch kein so guter Tag, um einen kurzen Jeansrock über einer rosa Trainigshose zu tragen? Geschafft. Angekommen. Nur noch schnell das Rad im Hinterhof abgestellt. Aber wer wartet da? Mein konservativer Nachbar um die 70, der jedes Outfit meinerseits, jede neue Frisur und jede neue Haarfarbe meinerseits mit verwunderten Bemerkungen zu kommentieren weiß. Irritiert schaut er mich mehrmals von oben bis unten an. Schweißausbruch. Ich versuche, mich hinter meinem Fahrrad zu verstecken. Das Gute ist: Es ist auch rosa. Das Schlechte: Man kann sich hinter einem Fahrrad nicht verstecken.
"Nee, nee, nee!", raunt er mir in einer eigenartigen Stimmlage zu: "Sie sind ja heute ganz in rosa!" "Jaaaaaaaaa", antworte ich ihm mit nervöser Stimme. Mir entfleucht ein irres Lachen, und ich höre mich mit entschuldigender Stimme und leicht eingezogenem Kopf sagen: "Ich habe heute meinen verrückten Tag!". Ungläubig schaut er mir nach, wie ich die Treppen hoch stolpere und in Gedanken schon meinen Kleiderschrank nach den unauffälligsten Klamotten aller Zeiten durchforste.

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Monday, June 25, 2007

Ostdeutsch

Als ich vor fünfeinhalb Jahren nach Ostdeutschland kam, war ich voll und ganz auf neue Erfahrungen eingestellt. Nicht umsonst hatte ich eine Studienstadt gewählt, deren Geschichte einen anderen Blick auf die gesamtdeutsche Wirklichkeit wirft. Ich wollte raus aus dem Gewohnten. Auf zu neuen Ufern – ein Hoch auf die Bewusstseinserweiterung!

So sperrte ich mich auch keineswegs, als ich mit so manchen – als ostdeutsch geltenden – Gepflogenheiten konfrontiert wurde. So gewöhnte ich mich schnell daran, auf einer Party 24 Leuten in Folge die Hand zu schütteln oder ganz selbstverständlich meine Schuhe auszuziehen, sobald ich eine Wohnung betreten hatte. (Als ich meine Eltern beim ersten Besuch darum bat, ihre Schuhe auszuziehen, quittierte meine Mutter das übrigens mit einem entgeisterten Blick und sagte: „Wir sind doch keine Türken!“)

Auch die dicken Socken, die – was ein echter Ossi sein will – im Winter in der Tasche mit herumgetragen werden, um bei spontanen Hausbesuchen zum Einsatz zu kommen, waren kein Problem.
Nur bei einer Sache war ich mir sicher: Nie würde ich anfangen, ostdeutsch zu reden.
Mein Bruder hatte ja behauptet, hier sage man nicht: Da krieg ich ja 'ne Gänsehaut! - sondern (haltet euch fest!): Da krieg isch jo gleisch 'n Broiler-Kostüm! Dass das eine Finte war, hat sich bald herausgestellt. Um so mehr musste ich lachen, als ich neulich jemand hörte, der allen Ernstes meinte, er bekomme einen Erpel-Parka – als Synonym für eine Gänsehaut.
Als ich vor kurzem jemanden in Nordrhein-Westfalen besuchte, konfrontierte man mich dort mit der Aussage, man merke, dass ich schon so ein Weilchen in Ostdeutschland wohne: DU sprichst auch schon richtig ostdeutsch!
In der schlaflosen Nacht, die ich daraufhin hatte, ging ich im Geiste durch, wie ich zu sprechen pflege.
Okay, okay. Ich gebe zu: So mancher Ausdruck hat es mir angetan. So kam mir das herumrödeln (emsig und oftmals selbstvergessen an einer Sache arbeiten, deren Erfolg noch in den Sternen steht) sofort ganz leicht über die Lippen. Aber ist das ostdeutsch?
Gerne fuchse ich mich auch in etwas Neues ein. Zum Beispiel in die Bedienung eines mir unbekannten Programms – oder die Funktionsweise einer technischen Neuerung.
Aber – Hand aufs Herz – einfuchsen, das sagt man doch auch in anderen Regionen Deutschlands, oder?
Entspannt ließ ich mich in die Kissen sinken. Wieder zurückgekehrt in ostdeutsche Gefilde begann ich, meine Spontansprache einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.
Mit Erschrecken stellte ich fest, dass mir immer häufiger ein weeste (für weißt du), ein gedehntes ooch (auch) oder ein kleener (kleiner) Fauxpas herausrutscht.
Und nicht die ostdeutsche Aussprache allein war es, die mich erschreckte. Nein! Ich verwende ostdeutsche Begriffe! Die westdeutsc
he Tupperware® ist in meinem Sprachgebrauch schon lange zur ordinären Plasteschüssel verkommen. Entsetzt schaute mich ein ebenfalls westdeutscher Freund an, als ich ihm erzählte, die Leute seien am verkausfoffenen Sonntag wie die Bekloppten in die Geschäfte gerammelt. Ich war ja grade froh, dass mir nicht rausgerutscht war, sie seien in die Kaufhalle gestürmt. Ganz zu schweigen vom nebenan befindlichen Getränkestützpunkt.
Mach dir keine Platte
, sagte ich mir. Ich tröstete mich damit, dass mir immerhin diese unglaublichen Ossi-Abkürzungen wie Ellis (für Eltern) oder Effi (für FKK-Strand) bisher nicht über die Lippen kamen.
Dispatcher, Bückware, MuFuTi, Muttiheft und hastenichgesehen beschreiben hingegen Dinge, die es im Westen nicht gab. Im Nu wickle ich eine Schlagersüßtafel aus dem Silberpapier und kann mich im Restaurant auch problemlos für eine Sättigungsbeilage und das entsprechende Heißgetränk entscheiden. Alles keen Problem. Ich ruppe auch weiterhin übelst an der Strippe, da könnt ihr ningeln wie ihr wollt!
Doch dann kam es zum GAU: Ich ertappte mich dabei, wie ich von meiner Mutter erzählte und sie dabei – ganz selbstverständlich – MUTTI nannte. Nie, nie, nie in meinem Leben nannte ich die wundervolle Frau, die mich neun Monate unter ihrem Herzen trug, MUTTI.

Ich mache jetze los – egal wohin, Hauptsache, ich kann den Rest meiner ursprünglichen Sprache noch retten!

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