kolumnen-fee?

Taugt das was? Daumen hoch, Daumen runter!

Thursday, July 12, 2007

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Thursday, July 05, 2007


Ich brauch 'nen Job!

17,33 Euro sagte mein Kontostand. Da besteht aber mal dringender Handlungsbedarf! Also –schwuppdiwupp – ins Internet gehangen, sämtliche Job-Datenbanken durchforstet und alle entsprechenden Newsletter abonniert.

Da meine finanzielle Lage wirklich alarmierend ist, nehme ich den erstbesten Job an.

Das heißt: Flyer für eine Buchhandlung verteilen. Was für ein Spaß! So stehe ich wenige Tage später vor der Uni-Bibliothek und bringe munter kleine, bunte Werbezettel unter's Volk. „Ach, was machst du denn jetzt?“, blökt mir nach wenigen Minuten das erste bekannte Gesicht entgegen. „Verteilst du Flyer?“ Nee, ich mache eine Feldstudie über die beschissensten Jobs, die man als Student haben kann, möchte ich am liebsten antworten.

Nach einem nicht enden wollenden Tag als Flyer-Verteilerin radle ich müde nach Hause. Als ich an einem indischen Schnell-Restaurant vorbeikomme, erregt ein Aushang mein Interesse: MITARBEITER FÜR TELEFONISCHE BESTELLUNGSANNAHME GESUCHT steht da in krakeligen Buchstaben auf einem ins Schaufenster geklebten Blatt Papier.


Schon beim Betreten der Lokalität verspüre ich das dringende Bedürfnis, auf dem Absatz kehrt zu machen. Billige Gartenmöbel, durchgesessene Sitzkissen, speckige Tischplatten. Aber da weit und breit kein Gast zu sehen ist, kann ich mich nicht ungesehen davonmachen. So beschließe ich, auf Frontalkurs zu gehen. Die Frau an der Theke (solariumgebräunt, Strähnchen) fragt mich in ausgeprägtem Sächsisch, was sie für mich tun könne. Ich bin ganz sicher, sie heißt Mandy. Oder Sandy.

Nachdem ich mein Anliegen vorgebracht habe, holt sie den Chef aus der Küche. So sitze ich wenige Sekunden später einem Inder gegenüber und versuche, mehr über den Job zu erfahren. Über die Anzahl der Arbeitsstunden kann er mir noch in gebrochenem Deutsch Auskunft geben. Auf die Frage, was er denn für jede Stunde Telefondienst bezahlen werde, schweigt er jedoch beharrlich. Um die Atmosphäre etwas zu lockern, erzähle ich ihm kurzerhand, dass meine Eltern mich im zarten Alter von vier Monaten bereits nach Indien geschleppt haben. Kurz scheint etwas Interesse in seinen Augen aufzuflackern.

„Bisch du Lärrerin?“, fragt er. (= Bist du Lehrerin?) So wage ich einen zweiten Vorstoß: „Sagen Sie doch mal, was sie ungefähr zahlen würden!“, bitte ich ihn freundlich, aber bestimmt. Wieder tut er, als höre er meine Frage nicht. „Mensch, die will wissen, wie viel du bezahlen tust!“, ruft Mandy-Sandy mit Nachdruck hinter der Theke hervor. „Konnsch du Somschdog orbeite?“ (= Kannst du am Samstag arbeiten?), ist jedoch das Einzige, was über seine Lippen kommt. (Seine Stimme gipfelt dabei am Ende des Satzes in einem eigenartigen Sing-Sang.) Ich beschließe, mich vom Acker zu machen – ohne seiner Bitte nachzukommen, meine Nummer zu hinterlassen.

Am nächsten Tag stoße ich in der Job-Börse des Studentenrates auf meinen Traumjob: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für ein internationales Fotografie-Festival – und das in meiner Stadt!

40 Stunden pro Woche, Vergütung nach Vereinbarung, entnehme ich dem Job-Angebot. Also ran an die Buletten!

Meinen Lebenslauf kann ich mittlerweile in drei Minuten umschreiben: Journalistin, PR-Frau, Gastronomie-Fachkraft, Kunst-Vermittlerin oder Sozialtante mit Pflege-Erfahrung? Für mich kein Problem. Zwei Klicks, und schon rangiert der wichtigste Praxis-Beleg auf Platz eins, alle restlichen Erfahrungen gruppieren sich (aus entsprechendem Blickwinkel betrachtet) darum.

Doch plötzlich kommt mir, es sei wohl besser, vorher noch mal die Festival-Koordinatorin anzurufen. So bin ich kurz darauf mit einer sympathischen Stimme verbunden, die sich sichtlich über meinen Anruf freut. Ich erzähle so ein bisschen von meinen Erfahrungen in Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, meiner Faszination für die Kunst. Mühevoll unterdrückte Begeisterung am anderen Ende der Leitung: „Das klingt ja alles ganz super!!!“

Auch hier frage ich vorsichtig nach der ungefähren Höhe der Vergütung.

Da setzt die Dame zu einem ideologiegeschwängerten Vortrag an. Sie erklärt mir, wie wichtig die Motivation für so ein Festival sei, dass man die Vision der Kunst in sich tragen müsse, dass Geld zweitrangig sei. „Das sehe ich doch auch alles so“, falle ich ihr nach einigen Minuten besänftigend ins Wort. Ein glückliches Seufzen von ihr macht mir Mut, und so erkläre ich: „Ich kenne die freie Szene ein bisschen und weiß auch, dass man da nicht das große Geld machen kann. Aber ich brauche Geld, um zu überleben. Selbst, wenn es nur sehr wenig wäre, würde ich den Job gerne machen. Wie viel bezahlen Sie denn?“, frage ich. Nachdem sie ein Weilchen herumgedruckst hat, bahnt sich schließlich die entscheidende Information ihren Weg. „Also, ja… hmmmmm… es ist unentgeltlich.“ Okay. Alles klar. Ich soll mal wieder die Welt retten. Davon kommt aber leider noch keine Milch in den Kühlschrank, kein Brot auf den Tisch.

„Aber ich glaube, Sie wären genau die Richtige für uns!“, haucht die Frau noch ins Telefon.


Versuch Nummer drei: Ein Freund informiert mich, dass in einem Biergarten Service-Personal gesucht wird. „Also ich würde dich als Biergarten-Besitzer sofort einstellen! Das passt doch total zu dir!“, meint er noch. Gib’s zu – du hast dir vorgestellt, wie ich in einem Dirndl aussehe!“, schlage ich zurück. Er errötet leicht. Also wieder fix zum Hörer gegriffen und den Biergarten-Chef angerufen. „Was studieren Sie denn?“, fragt er. Als ich unter anderem Theaterwissenschaft nenne, reagiert er äußerst begeistert: „Nu da könnten Sie ja e bissl schauspielern! Zum Beispiel e bissl reimen!“, schreit er euphorisch in den Hörer. „Zum Beispiel: Bei uns, do gibt’s eene Goose, die geht gleisch mäschdisch in die Hose!“
Scheiße, ich brauche Geld, denke ich und stimme in sein irres Lachen ein.


Schließlich verdinge ich mich wenige Tage später als Nazibraut auf der Flucht und spiele bei 30 ° C. in Originalklamotten als Komparse in einem dieser unerträglichen historischen Flucht-Filme mit. In Wollstrümpfen und klobigen Stiefeln, mit Kittelschürze, Wintermantel und Trümmerfrauenturban robbe ich bei Fliegeralarm unter wuchtige Autos und lasse die letzten Matrosen der deutschen Kriegsmarine an mir vorbeiziehen.

Ich war jung und brauchte das Geld, werde ich meinen Kindern später erklären.



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