kolumnen-fee?

Taugt das was? Daumen hoch, Daumen runter!

Sunday, July 09, 2006

Was ist eigentlich ein "BLOG"?

Blog ist die Abkürzung für "Weblog", das sich aus "Web" und "Log" zusammensetzt.
"Log" kommt von "Logbuch" und dient einer journalartig geführte Aufzeichung von Ereignissen.
Beim "Weblog" handelt es sich um eine Website, die periodisch neue Einträge enthält - gewissermaßen ist es eine Art Internet-Tagebuch.

Wednesday, July 05, 2006


Schwarz-rot-gold

Was haben wir in den letzten Wochen miterleben dürfen: Ein Land, das sich seine nationalen Farben zurückerobert. Schwarz! Rot! Gold!
Diese lange Zeit verschämt unter Ladentischen gehandelten Farben wurden endlich wieder ans Tageslicht geholt, für gut befunden und voller Stolz - für alle sichtbar - zur Schau getragen.
Gerade noch trieb uns eine wehende Flagge samt deutschem Bundes-Adler den Schweiß auf die Stirn - das beängstigend klingende Marschieren brauner Stiefel schien für immer untrennbar mit unseren nationalen Farben verknüpft zu sein.
Eigentlich totaler Schwachsinn, möchte ich sagen - hätte ich mich nicht jahrelang ebenso gegen die nationale deutsche Symbolik gewehrt.
Im Ausland mit "Heil Hitler" begrüßt zu werden, lauthals angestimmte Soldatenlieder als Überraschungsgeschenk an deutsche Au-pair-Mädchen, Zivis und Rucksack-Reisende - wer hat das nicht schon so erlebt?
Ob patriotisches Selbstverständnis anderer Nationen, oder gut gemeinter Rat Nichtdeutscher - nein Danke, das Deutschsein mochte sich niemand so recht ans Revers stecken.
Obwohl - kleiner Exkurs für die noch Unbelehrten gefällig? - diese Verabscheuung eigentlich recht unbegründet ist: Die Farben schwarz, rot und gold entspringen dem Kontext der 1848er-Revolution, die sich für die Werte der Freiheit und Einheit verbürgt hat. Die von den Nationalsozialisten gebrauchte Reichskriegsflagge wartete mit schwarz-weiß-rot auf.
Verzeiht meine harten Worte: Aber wer immer noch mit der ewig gleichen Begründung mit den deutschen Farben hadert, dem schlage ich eine, wie auch immer geartete, deutsche Flagge vor, die die Worte "Sorry for the holocaust." - für jeden sichtbar - integriert. Ihr wisst, wie ich das meine.
Nun also die Fußballweltmeisterschaft 2006 - ausgetragen in Deutschland, und plötzlich greift dieser Wandel um sich:
Erst war es ein leise säuselnder Wind, der vereinzelte Fähnchen an Häuserfassaden tanzen ließ, dann wurde es ein Brausen, jedes dritte Auto war über Nacht schwarz-rot-gold beflaggt, Ohrringe, Haarbänder & Täschchen für die Damenwelt, Trikots, Mützen und Tröten für die Herren der Schöpfung - und alles in schwarz-rot-gold!
Als ich das erste Kleinkind an einem spielfreien Tag [!] mit schwarz-rot-gold-geschminkten Wangen durch einen Supermarkt taumeln sah, wusste ich: Der Sturm stand bevor!
Nun also war Deutschland ins Halbfinale eingezogen. Die nationalen Farben kannten keinen Halt mehr: Ob Museumskasse, Bibliotheksausleihe oder Tante-Emma-Laden - alles vereint in den deutschen Farben!
Gestern dann das traurige Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft. Es war nicht so, dass ein großer Aufschrei das Land erzittern ließ. Doch stille Tränen rollten, manches leise Schluchzen drang aus den Rängen des Stadions. Die Gesichter enttäuscht, einer Vision beraubt, die Blicke leer und stumpf.
Nach dem Spiel glich die Fahrt durch Deutschland einem Leichenzug. Langsames Schreiten, hängende Schultern, gedämpfte Gespräche. Der Mantel des Schweigens legte sich über Deutschland, der Rückzug ins Private stand wieder an.
Aber! Leute, lassen wir uns nicht unterkriegen! Das war erst der Anfang: Schwarz-rot-gold ersteht gerade erst aus seiner Asche!
Natürlich müssen wir noch viele Diskussion führen - um Vaterlandsliebe, Patriotismus und Nationalismus - wir müssen um Begriffe und Grenzen feilschen - aber lasst uns weitergehen auf diesen neuen Wegen!

Verfasst: Juli 2006

Das hübsche Foto stammt übrigens von Karolin [DANKE!]. Das hat sie vor kurzem im flaggenbessesenen Beirut gemacht. Die Löcher haben nichts zu bedeuten, die haben wohl alle Flaggen und Demo-Plakate im Libanon.

Monday, July 03, 2006

Kleine Anmerkung am Rande:

Übertreibung, Verfremdung & Fiktion sind in den hier bemühten Stilformen erlaubt - bisweilen sogar gefordert.

Sunday, July 02, 2006

Google, mein Freund & Helfer

Google, das ist bekannt, ist schon lange zur der Suchmaschine Nummer eins avanciert.
Die schnellste Bahnverbindung nach München, ein zuverlässiges Mittel gegen Fußpilz, die besten Rezepte für Bechamel-Soße und die tschechischen Vokabeln für ein Mal Bier bestellen – zwei Klicks und Google spuckt brav alles aus, was er findet.
Zuverlässig navigiert Google verzweifelte Junggesellen auf der Suche nach einem leicht zu backenden Kuchen auf frag-mutti.de und weist zudem unaufdringlich in der Reklamespalte auf einen bundesweit operierenden Pizzaservice hin.
Oder: Man hat irgendwann, irgendwo mal irgendjemanden was von einem Jazzfestival im Baltikum erzählen hören. jazz + festival + baltic, und schon kann man die Tickets buchen.
Google, mein Freund und Helfer!
So wurde ich in letzter Zeit mit meinen Anfragen an Google forscher. Einen Gast zum Essen erwartend, stand ich eines Tages völlig uninspiriert vor dem offenen Kühlschrank. Ein, zwei, drei – schnell hatte ich die wenigen Lebensmittel, die noch zwischen leeren Marmeladengläsern darbten, bei Google eingegeben. Ein Klick, und mein Berater lotste mich zu einem entsprechenden Rezept. Stellt euch vor: Es hat geschmeckt!
Natürlich kann man sich auch selbst googeln. Hand aufs Herz – wer von euch hat das noch nicht gemacht?
Den eigenen Namen eingegeben und mit Herzklopfen die Menge der Treffer abgewartet?
Als ich neulich meinen Physiotherapeuten [eigentlich ist es mein Masseur, aber das klingt eindeutig zweideutig, finde ich] in die Kunst des Googelns einführte (auf der Bank liegend, Trockenübung also) vergingen ihm Hören und Sehen ob der Menge der Möglichkeiten, die Google offeriert.
Beim nächsten Termin erzählte er mir ganz enttäuscht, dass er mit seinem eigenen Namen lediglich einen Treffer gelandet hat: auf www.fussreflex.de. Das muss anders werden, haben wir beschlossen und einen Plan aufgestellt, wie er schnell millionenfach im Netz erwähnt wird.
Bis es soweit ist, googelt er seine Bekannten.
Denn - DAS MUSS ABER UNTER UNS BLEIBEN - Google verrät Geheimnisse!
Ein Abend allein zu Hause, alle Schnulzen in der Videothek schon ausgeliehen, und da kommt er: der Singleblues. Glücklicherweise halten Handy-Nummern heute nicht mehr zu lange – und die Gefahr, aus lauter Verzweiflung Ex-Freunde, Liebschaften und verpasste Chancen anzurufen ist zumindest fürs Erste gebannt.
Aber: Google blinzelt auch hier treuherzig. Nein: Google lacht verführerisch, schnoddrig, vielsagend, leise Versprechen machend, nimmt mich an der Hand und zerrt mich in die Tiefen des Netzes. „Samuel Berger“ - klick – Google-Suche. Ups, doch in Papas Betrieb gelandet – wo er nie hinwollte? Kann mir ein hämisches Grinsen nicht verkneifen.
Oder die schreckliche Banknachbarin aus der Grundschule? Neben stay-friends finde ich sie samt Foto (ist aber auch dick geworden!) beim Golfclub Aachen wieder.
Auch bei der direkten Bildersuche wurde ich dank Google schon fündig. Auf hackfresse.de Nun ja, da muss nach mir noch jemand gekommen sein, der den Kerl am Ende nicht weniger hasste als ich.
Mein "Physiotherpeut" behauptet übrigens felsenfest, das Googeln seiner Ex-Freundin habe ihn auf eine Porno-Seite geführt.
Wie auch immer. Noch eins: Selbst für versehentliche copy+paste-Aktionen hat Google ein Herz. So habe ich gerade fälschlicherweise „rationales Verlieben“ gegoogelt [etwas, was ich gerade im Selbstversuch erprobe] und bin tatsächlich fündig geworden. Naja, das war ein Ex-Sporttrainer, der im Interview sagte, rationales Verlieben sei unmöglich.
Ich probier es trotzdem. Google wird mir helfen.
Denn es gibt noch viel zu entdecken mit meinem Freund Google.
Ja, ich kenne sogar jemanden, der Google nach eigenen Angaben als seinen persönlichen Psychotherapeuten einsetzt.
Nicht, um entsprechende Beratungsforen zu finden oder auf der Suche nach spezieller Literatur.
Nein, so erzählte mir die betreffende Person vor einiger Zeit, sie stelle alle lebenswichtigen Fragen an Google persönlich. Zweieinhalbtausend Jahre sind vergangen - das Orakel von Delphi lebt!
Zum Beispiel: Google, „was fehlt mir zum Glücklichsein?“ Oder: Google, „wie finde ich den richtigen Mann im Leben? Ob sie die Antworten für bare Münze nimmt, weiß ich nicht. Single ist sie bislang immer noch.



Verfasst: Juni 2006


Kleine Begriffsbestimmung

Kolumne: meist regelmäßig an gleicher Stelle erscheinender, kurzer Artikel einer Zeitung oder Zeitschrift - oft auch "Namenskolumne" eines einzelnen Autors

Glosse: ein kurzer und pointierter, oft satirischer, sarkastischer, spöttisch-polemischer journalistischer Randkommentar in einer Zeitung oder Zeitschrift - in feuilletonistischer Form eingesetzt


Die Schwarze Stadt
Glosse anläßlich des Leipziger Wave-Gothik-Treffens ["Grufti-Festival"] 2004

Freitagnachmittag. Ich stehe vor dem Hauptbahnhof, will ein bisschen die Sonne genießen und meine Einkäufe erledigen. Als ich gedankenverloren an der Ampel stehe, drängen sich mehr und mehr schwarze Gestalten in meinen Blick. Das Wave-Gothik-Treffen wirft seine Schatten voraus: Schwarze wallende Röcke, Netzstrümpfe, hohe Stiefel, knappe Oberteile und nicht selten viel Haut. Dazu: weiß geschminkte Gesichter, blutrote Lippen und tiefschwarz umrandete Augen. Die Haare toupiert, rasiert, gefärbt. Hauptsache auffällig!
Mich interessiert es überhaupt nicht, wie viele Stunden diese Leute damit verbracht haben, sich den Tod ins Gesicht zu schminken.
Doch ignorieren geht nicht – sie sind überall. Wie angestrengt sie versuchen, den ganzen Weltschmerz in ihren Blick zu legen... Mich hingegen bringt es fast schon zum Lachen, das Grufti-Mädchen mit den sorgfältig toupierten Haaren, in Spitzenhöschen und derben Stiefeln zu beobachten. Steht brav da – wie das rote Ampelmännchen persönlich. Das macht diese Gestalt fast schon wieder niedlich. Aber nur fast.
Diese Exhibitionisten nerven mich. Ich muss hier weg, kann nicht warten, bis das grüne Ampelmännchen auftaucht. Also ignoriere ich die beschleunigenden Autos und renne über die Straße. „Was, wenn ich überfahren werde?“ schießt es mir durch den Kopf. „Werden sie dann alle auf mich stürzen und mir begeistert das noch warme Blut aus den Adern saugen?
Wahrscheinlich nicht mal das. Denn wirklich blutrünstig ist ja keiner von denen. Alles nur Maskerade.
Heil erreiche ich die andere Straßenseite. Doch ich merke bald: In der Innenstadt ist kein Entrinnen. Ich trete die Flucht an. Nur weg hier. Im Johanna-Park wähne ich ein friedliches Plätzchen. Doch weit gefehlt: Keine aufgekratzten Schüler, die in bunten Sport-T-Shirts einem Federball nachjagen.
Doch auch hier: nur Gruftis und Patchouly-Gestank. Und das im schönsten Sonnenschein. Ich beginne, mir ernsthafte Sorgen zu machen. Was, wenn sie braun gebrannt werden und so die lang erarbeitete Todesblässe verlieren?
Ein störendes Geräusch reißt mich aus meinen Überlegungen. Ein Mann in Minirock und Spitzen-Oberteil, natürlich alles in schwarz – versteht sich, schlurft an mir vorbei. Schwere Ketten hängen um seinen Hals,
an seinen Knöcheln bimmeln Glöckchen.
Seine Begleitung will ich mir gar nicht mehr anschauen. Ich habe genug von korsettgeschnürten Brüsten und freigelegten Po-Schlitzen. Von so viel sexuellem Fingerzeig wird mir schlecht.
Wahrscheinlich ist es das, was mich so nervt: Dass diese Leute sich von mir eine Aufmerksamkeit einfordern, dich ich ihnen nicht geben will. Ich schließe die Augen – Schwärze umhüllt mich.

Verfasst: Juni 2004

Alt sein

Neulich, also da liege ich mit einer fetten Angina im Bett. Unerträgliche Halsschmerzen, ein stetes Wummern im Kopf und das Gefühl, meine Knochen bestünden aus kochendem Stahl. Um mich ein bisschen aufzuheitern, zappe ich mich durchs deutsche Nachmittagsfernsehprogramm. Ein Anflug von guter Laune überkommt mich, als ich auf Viva den Madonna-Song „Music“ höre. Danach gleich Modjos “Lady, hear me tonight cause my feeling…”. Bilder von durchtanzten Nächten, traurigen Abschieden und verrückten Liebesbeweisen steigen vor meinem inneren Auge auf. Martin und ich als Tramper Richtung Bologna, Katrins erste eigene Wohnung, wir betrunken auf einer Hochzeit irgendwo in St. Petersburg. Der Soundtrack meines Lebens.

Plötzlich entdecke ich am Bildrand ein kleines Banner. Erst halte ich es für eine heimtückische Fieber-Phantasie. Doch, als ich ungläubig Richtung Fernseher robbe, wird klar: Ich habe mich nicht verlesen. In poppig pink prangt am Bildrand der Schriftzug „Viva-Retro-Charts“. Stille. Jeder Gedanke verläuft ins Leere. Die Musik meiner Jugend als „Retro-Recycling-Charts“? Ja, die Realität packt mich bei den Haaren und schleift mich mit hämischem Grinsen vor den Spiegel. „24 Jahre – fast schon ein Viertel-Jahrhundert!“ schreit mir mein Spiegelbild entgegen. „Jugend, das sind jetzt die anderen.“ steht in den Falten, die sich von nun an auf meiner Stirn bilden.
Halb so schlimm, werde erst mal wieder gesund! – sagt mir die Vernunft.
Doch irgendwie ist nichts mehr wie zuvor. Ich werde sensibler, beginne zu grübeln; der Alltag wird zum Alterstest.
Irgendwann erkenne ich: Dass ich mich nicht mit Klingeltönen und Handylogos auskenne – damit kann ich leben. Dass ich in der Straßenbahn inzwischen schon das „Deutsche Wörterbuch der Jugendsprache“ brauche, um die Gespräche der Schüler neben mir zu verstehen – peinlich, aber tragbar.
Mit gestärktem Rücken laufe ich einige Wochen später durch die Fußgängerzone. Ich fühle mich jung und schön. Nichts auf der Welt kann mir etwas anhaben. Doch das Schicksal hat kein Erbarmen: Ein Punk kommt angeschlurft. Springerstiefel, zerrissene Jeans, grüne Haare. „Ham Sie mal ’nen Euro?“ fragt er bittend. „Sie?“ Ein Punk, der mich siezt?! Das war’s, ich kehre um und lenke meine Schritte zum Friedhof.



Verfasst: Oktober 2005

Rundmails

„Neuigkeiten aus Prag“ – „Susi in Paris“, „Hallo von Malle“. Ich kann es nicht mehr hören! Tag für Tag wird mein Email-Postfach mit Rundmails aus allen Ecken und Enden der Welt überschwemmt.
Natürlich will ich wissen, wie es meinen Freundinnen und Freunden in der großen weiten Welt geht. Aber ich will nicht von Hinz und Kunz dermaßen zugespamt werden. Satte vier Seiten Lebensbericht aus Rom. Von irgendeiner entfernten Bekannten. Wenn da wenigstens was Spannendes drinstehen würde! Aber nein.
„Gestern hatten wir eine total geile Party im Apartment von Jim. Es waren auch drei Spanier da, zwei Französinnen, sogar zwei Japaner. Ne richtig geile Fiesta.“
Oder: „Von Toms Büro aus sehe ich nur Wolkenkratzer. Die gibt es hier oft.“
Manchmal klingt es auch so:
„Die Natur hier ist überwältigend schön. Total der Wahnsinn, alles ist grün. Im Regenwald gibt es ganz seltene Pflanzen. Es ist das einfache Leben hier, das so authentisch ist.“
Grundsätzlich ist alles „total toll“ und alle sind so begeistert, dass sie kaum Worte dafür finden. Und trotzdem schreiben sie.
Sehr beliebt ist es auch, einzelne Worte in der Landessprache zu ersetzen. Also: „Todo bien, unser casa ist total loco.“ Und „alle Leute hier sind absolutely crazy, wie Jill jetzt sagen würde.“
„Ciao“, „bye-bye“ und „Au revoir“ – Ende des Grauens.
Nebenbei bemerkt: Dann wird auch noch ausnahmslos das ganze Adressbuch angeklickt. So, damit auch jeder sehen kann, wen man alles kennt. Danke auch, dass meine Emailadresse einmal mehr um den Globus geschleudert wurde. Damit steigen meine Chancen auf vireninfizierte Emails mal wieder ungemein.

Aber nicht genug: Viele Emailschreiber schlagen auch noch per Anhang zu.
Nach drei Minuten Ladezeit öffnet mein Computer die angehängten Dokumente:
Bild eins: Paula am Strand. Bild zwei: Paula beim Cocktailtrinken. Bild drei: Paula und drei betrunkene Amerikaner, die ich noch nie in meinem Leben getroffen habe - und hoffentlich auch nie treffe. „We had a great time“, steht drunter.
Es reicht. Ich schreibe zurück. Ganze 14 Seiten:
„Das Wetter ist mies. Irgendwie schmeckt mein Kaffee komisch. Jetzt kommt Christian vom Fleischer zurück. Die Wäsche ist dann auch gleich fertig. Heute macht Anna eine Party. Oma muss ich noch anrufen. Am Montag habe ich ein Referat. Ich habe noch nichts dafür gemacht. Seit gestern habe ich Halsschmerzen, hoffentlich werde ich nicht krank...“

Verfasst: Januar 2005

Saturday, July 01, 2006

Mein kleines Fußball-Einmaleins

Leute, Leute – Deutschland im Fußballfieber!
Hat mich nie groß interessiert. Sind für mich 22 Typen, die für viel Geld wie die Bekloppten völlig unvorhersehbar einem Ball hinterrennen. Wahrscheinlich würd ich es nicht mal merken, wenn der Ball fehlt.
Aber mit derartig schwachen Basics kann ich natürlich keine Weltmeisterschaft durchstehen. Zudem eine, die in Deutschland stattfindet (dass sogar in meiner Heimatstadt Spiele ausgetragen werden, weiß ich sogar schon seit März!).
Also habe ich mich wissbegierig in die Runden der Fußballdiskutierenden geschlichen und beschlossen, mein Wissensdefizit zu beseitigen.

Ich habe gelernt:




  1. Da kicken 11 Typen für Deutschland, die ziemliche Luschen sind. Aber trotzdem hoffen alle, dass es mit denen bis ins Finale geht. Und das, wo Drogen verboten sind. Realitätssinn, Verstand, Logik?
  2. Unser Torwart, der heißt Jens Lehmann. Und vor der WM gab's einen Streit, weil Kahn (der Typ, der die Affäre mit dem Partyluder hatte) auch im Tor stehen wollte. Was ich noch nicht weiß: Was macht man bitte 90 Minuten lang im Tor? A propos: Ist euch aufgefallen, dass die Tor-Netze inzwischen wie millimetergenau vermessen und ausgestanzt aussehen und nicht mehr wie handgehäkelt? Wieder eine arbeitlose Oma in der Altmark.
  3. Ballack ist die „Wade der Nation“ (bei meinem Bäcker liegt immer die BILD aus) und auf den haben alle Frauen zu stehen. Scheiß drauf, Main-Stream-Geschmack. Da würde ich eher noch mit Klinsi Kaffee trinken gehen. (Wie macht er das eigentlich mit den langen Hemdsärmeln, dass er keine Schweißflecken kriegt?)
  4. Der Typ mit dem angespannten Gesicht, der aussieht, als hätte er als Kind tagelang vergessen, eine dieser sauteuren Peel-Off-Gesichtsmasken wieder abzunehmen, das ist Günter Netzer. Der kommentiert im Nachhinein jedes Spiel und lässt an nichts und niemandem ein gutes Haar. Warum der das macht, hab ich noch nicht rausgefunden.

So viel zu dem, was ich wirklich über Fußball gelernt habe. Nun zu dem, was ich während dieser WM bisher fürs Leben gelernt habe:

  1. Das ist die Zeit fürs Kontakteknüpfen: Ob an der Supermarktkasse, in der Straßenbahn, auf Parties, an der Uni. Sag irgendwas über Fußball – egal was – irgendjemand wird sich sofort auf ein Gespräch einlassen.
  2. Supermärkte sind während der Deutschland-Spiele wie leergefegt. Kannste endlich mal in aller Ruhe deinen Kram zusammensuchen. Keine alten Säcke, keine schnicksigen Mädels, keine halbstarke Typen. Die sitzen allesamt vereint vor der Kiste und grölen.
  3. Es macht sich nicht gut, die gegnerische Mannschaft anzufeuern, sollte man sich doch mal in ein Deutschland-Spiel verirren.
  4. Nach den Spielen kann man angetrunken, ohne Licht und telefonierend – unbekümmert – über die Hauptstraßen fahren. Die Polizei kümmert sich nur noch um die Härtefälle.


Ist also alles gut. WM für immer. Oder zumindest: Deutschland ins Finale!!

"Fußball ist ganz in Ordnung für harte Mädchen, aber kaum geeignet für empfindsame Jungs."

Oscar Wilde

Verfasst: Juni 2006