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Taugt das was? Daumen hoch, Daumen runter!

Friday, September 03, 2010

Das Friseur-Desaster

Eigentlich habe ich ja schon geahnt, dass der Besuch bei einem Edel-Friseur ein Reinfall wird, aber ich hatte ja nun mal diesen 50-Euro-Gutschein von dort geschenkt bekommen.
Also Augen zu und durch.
Ich w.u.s.s.t.e, dass das eine der Nummern wird, bei der man am Ende befürchten muss, wegen unterlassener Hilfeleistung am eigenen Haar verknackt zu werden.

Ich betrete das Friseurgeschäft - oder soll ich lieber "die Wellness-Lounge" sagen?
Ein heller, langezogener Raum verbindet alle möglichen kosmetischen Dienstleistungen, auf dem schmucken Tresen stehen Lilien.

"Meine Friseuse" begrüßt mich mit Handschlag, säuselt mit treuherzigem Blick ein paar Willkommensworte und drückt mir als erstes eine schwarze Mappe in die Hand.
Darin befindet sich ein zweiseitiger Fragebogen zu meinem Haar: Ist ihr Haar eher dünn oder dick? Fettet es schnell oder ist der Glanz verblasst?
Schon jetzt muss ich mich zusammenzureißen. WAS SOLL DIESE SCHEISSE? Ich will zum Friseur und nicht zur Typberatung mit lebensphilosophischen Zugaben!
Auf die Frage: "Wo waren Sie denn bisher beim Friseur?" gebe ich eine unüberlegte Antwort - um nicht zu sagen, dass ich einen ganz großen Fehler mache.
"Ach, mal hier und da", gebe ich zurück. "Wieso?!", fragt die Friseuse arlamiert zurück. "Um ehrlich zu sein: Weil es mir nicht so wichtig ist!"
Autsch. Ihr entgleist das Gesicht. Aber sie fängt sich schnell wieder und schlägt zurück: "Hmm, das merkt man. Da gäbe es ja einiges zu ändern bei Ihnen!"
Dann schleift sie mich zur biometrischen Vermessung meines Gesichts oder so ähnlich.
(Ein besonderes Angebot für Neukunden. Leider nicht optional, sondern Zwang.)
Nachdem sie von schräg unten ein schönes Schweinchennasen-Foto von mir aufgenommen hat, wertet sie dieses mit vernichtenden Worten am PC aus:
"Sie haben überhaupt keine Frisur mehr!"
Dann will sie mir unbedingt nach dem digitalen Papier-Anziehpuppen-Prinzip diverse Frisuren aufsetzen.
Bei der ersten Frisur, die sie mir auf den digitalen Kopf setzt, beginne ich zu kreischen: "Ich sehe ja aus wir Horst Schlämmer!"
Sie lässt sich leider nicht von der Ernsthaftigkeit ihre Vorhabens abbringen und setzt mir eine Frisur nach der anderen auf. Noch schlimmer: Sie will, dass ich wähle, welche Frisur ich am PC mal ausprobieren möchte. "Ach eigentlich will ich ja nur die Haare ein bisschen durchgestuft haben", meine ich. Widerstand zwecklos - hartnäckig fragt sie immer wieder, welche Frisur ich gerne mal aufsetzen will.
Wahllos zeige ich auf irgendeine Frisur: schwarze Locken, feuerroter Bob - miregal.

Nun führt sie mich zum Haarewaschen. Natürlich kommt die obligatorische Befragung, die eher einem Verhör gleicht.
Friseuse: "Wo kaufen Sie denn Ihre Haarpflegeprodukte? ...im Drogeriemarkt? Nein, die müssen Sie unbedingt beim Friseur kaufen! In den Drogerieprodukten ist nämlich nur der Abfall der Friseurprodukte - ganz schädlich für Ihr Haar!"
Außerdem stellt sie die Massageliege an. Das wiederum fühlt sich an, als würde ich auf einem anfahrenden Traktor sitzen.
Trotzdem antworte ich auf ihre Frage: "Und, hat's schön am Popser gekrabbelt!" mit "Ja!"
Dann geht's ans Haare schneiden.
Immer wieder ermahnt sie mich, meinen Kopf grade zu halten und unterstreicht die Dringlichkeit ihrer Bitte mit der einfühlsamen Erklärung: "Ich muss mich auf den Schnitt konzentrieren - da kann ich nicht auch noch darauf achten, dass Ihr Kopf grade ist!"
Schließlich überredet sie mich auch noch zu einem Pony - allerdings macht sie ihn doppelt so kurz wie ausgemacht. Nicht mal hier protestiere ich.
Dafür beschwert sie sich, dass ich auf alle ihre Fragen mit JA antworte.

Schlussendlich föhnt sie mir die Haare. Dafür muss ich mich so auf den Stuhl fläzen "als würden Sie vor dem Fernseher sitzen!"
Ich habe keinen Fernseher, mein Nacken tut weh, Verzweiflung macht sich breit.

Als ich schließlich das Endresultat im Spiegel sehe, schwanke ich zwischen Entsetzen und Belustigung: Ich sehe aus wie eine Vogelscheuche! Seltsam nach außen geföhnt, stehen mir die Haare regelrecht zu Berge.

Dass es für mich ein Horrortrip war, scheint die Friseuse auch gemerkt zu haben, als sie mir beim Kassieren ihr Kärtchen gibt: "Und falls es Ihnen doch gefallen hat, empfehlen Sie mich bitte weiter!"

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