kolumnen-fee?

Taugt das was? Daumen hoch, Daumen runter!

Friday, September 03, 2010

Das Friseur-Desaster

Eigentlich habe ich ja schon geahnt, dass der Besuch bei einem Edel-Friseur ein Reinfall wird, aber ich hatte ja nun mal diesen 50-Euro-Gutschein von dort geschenkt bekommen.
Also Augen zu und durch.
Ich w.u.s.s.t.e, dass das eine der Nummern wird, bei der man am Ende befürchten muss, wegen unterlassener Hilfeleistung am eigenen Haar verknackt zu werden.

Ich betrete das Friseurgeschäft - oder soll ich lieber "die Wellness-Lounge" sagen?
Ein heller, langezogener Raum verbindet alle möglichen kosmetischen Dienstleistungen, auf dem schmucken Tresen stehen Lilien.

"Meine Friseuse" begrüßt mich mit Handschlag, säuselt mit treuherzigem Blick ein paar Willkommensworte und drückt mir als erstes eine schwarze Mappe in die Hand.
Darin befindet sich ein zweiseitiger Fragebogen zu meinem Haar: Ist ihr Haar eher dünn oder dick? Fettet es schnell oder ist der Glanz verblasst?
Schon jetzt muss ich mich zusammenzureißen. WAS SOLL DIESE SCHEISSE? Ich will zum Friseur und nicht zur Typberatung mit lebensphilosophischen Zugaben!
Auf die Frage: "Wo waren Sie denn bisher beim Friseur?" gebe ich eine unüberlegte Antwort - um nicht zu sagen, dass ich einen ganz großen Fehler mache.
"Ach, mal hier und da", gebe ich zurück. "Wieso?!", fragt die Friseuse arlamiert zurück. "Um ehrlich zu sein: Weil es mir nicht so wichtig ist!"
Autsch. Ihr entgleist das Gesicht. Aber sie fängt sich schnell wieder und schlägt zurück: "Hmm, das merkt man. Da gäbe es ja einiges zu ändern bei Ihnen!"
Dann schleift sie mich zur biometrischen Vermessung meines Gesichts oder so ähnlich.
(Ein besonderes Angebot für Neukunden. Leider nicht optional, sondern Zwang.)
Nachdem sie von schräg unten ein schönes Schweinchennasen-Foto von mir aufgenommen hat, wertet sie dieses mit vernichtenden Worten am PC aus:
"Sie haben überhaupt keine Frisur mehr!"
Dann will sie mir unbedingt nach dem digitalen Papier-Anziehpuppen-Prinzip diverse Frisuren aufsetzen.
Bei der ersten Frisur, die sie mir auf den digitalen Kopf setzt, beginne ich zu kreischen: "Ich sehe ja aus wir Horst Schlämmer!"
Sie lässt sich leider nicht von der Ernsthaftigkeit ihre Vorhabens abbringen und setzt mir eine Frisur nach der anderen auf. Noch schlimmer: Sie will, dass ich wähle, welche Frisur ich am PC mal ausprobieren möchte. "Ach eigentlich will ich ja nur die Haare ein bisschen durchgestuft haben", meine ich. Widerstand zwecklos - hartnäckig fragt sie immer wieder, welche Frisur ich gerne mal aufsetzen will.
Wahllos zeige ich auf irgendeine Frisur: schwarze Locken, feuerroter Bob - miregal.

Nun führt sie mich zum Haarewaschen. Natürlich kommt die obligatorische Befragung, die eher einem Verhör gleicht.
Friseuse: "Wo kaufen Sie denn Ihre Haarpflegeprodukte? ...im Drogeriemarkt? Nein, die müssen Sie unbedingt beim Friseur kaufen! In den Drogerieprodukten ist nämlich nur der Abfall der Friseurprodukte - ganz schädlich für Ihr Haar!"
Außerdem stellt sie die Massageliege an. Das wiederum fühlt sich an, als würde ich auf einem anfahrenden Traktor sitzen.
Trotzdem antworte ich auf ihre Frage: "Und, hat's schön am Popser gekrabbelt!" mit "Ja!"
Dann geht's ans Haare schneiden.
Immer wieder ermahnt sie mich, meinen Kopf grade zu halten und unterstreicht die Dringlichkeit ihrer Bitte mit der einfühlsamen Erklärung: "Ich muss mich auf den Schnitt konzentrieren - da kann ich nicht auch noch darauf achten, dass Ihr Kopf grade ist!"
Schließlich überredet sie mich auch noch zu einem Pony - allerdings macht sie ihn doppelt so kurz wie ausgemacht. Nicht mal hier protestiere ich.
Dafür beschwert sie sich, dass ich auf alle ihre Fragen mit JA antworte.

Schlussendlich föhnt sie mir die Haare. Dafür muss ich mich so auf den Stuhl fläzen "als würden Sie vor dem Fernseher sitzen!"
Ich habe keinen Fernseher, mein Nacken tut weh, Verzweiflung macht sich breit.

Als ich schließlich das Endresultat im Spiegel sehe, schwanke ich zwischen Entsetzen und Belustigung: Ich sehe aus wie eine Vogelscheuche! Seltsam nach außen geföhnt, stehen mir die Haare regelrecht zu Berge.

Dass es für mich ein Horrortrip war, scheint die Friseuse auch gemerkt zu haben, als sie mir beim Kassieren ihr Kärtchen gibt: "Und falls es Ihnen doch gefallen hat, empfehlen Sie mich bitte weiter!"

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Thursday, July 12, 2007

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Thursday, July 05, 2007


Ich brauch 'nen Job!

17,33 Euro sagte mein Kontostand. Da besteht aber mal dringender Handlungsbedarf! Also –schwuppdiwupp – ins Internet gehangen, sämtliche Job-Datenbanken durchforstet und alle entsprechenden Newsletter abonniert.

Da meine finanzielle Lage wirklich alarmierend ist, nehme ich den erstbesten Job an.

Das heißt: Flyer für eine Buchhandlung verteilen. Was für ein Spaß! So stehe ich wenige Tage später vor der Uni-Bibliothek und bringe munter kleine, bunte Werbezettel unter's Volk. „Ach, was machst du denn jetzt?“, blökt mir nach wenigen Minuten das erste bekannte Gesicht entgegen. „Verteilst du Flyer?“ Nee, ich mache eine Feldstudie über die beschissensten Jobs, die man als Student haben kann, möchte ich am liebsten antworten.

Nach einem nicht enden wollenden Tag als Flyer-Verteilerin radle ich müde nach Hause. Als ich an einem indischen Schnell-Restaurant vorbeikomme, erregt ein Aushang mein Interesse: MITARBEITER FÜR TELEFONISCHE BESTELLUNGSANNAHME GESUCHT steht da in krakeligen Buchstaben auf einem ins Schaufenster geklebten Blatt Papier.


Schon beim Betreten der Lokalität verspüre ich das dringende Bedürfnis, auf dem Absatz kehrt zu machen. Billige Gartenmöbel, durchgesessene Sitzkissen, speckige Tischplatten. Aber da weit und breit kein Gast zu sehen ist, kann ich mich nicht ungesehen davonmachen. So beschließe ich, auf Frontalkurs zu gehen. Die Frau an der Theke (solariumgebräunt, Strähnchen) fragt mich in ausgeprägtem Sächsisch, was sie für mich tun könne. Ich bin ganz sicher, sie heißt Mandy. Oder Sandy.

Nachdem ich mein Anliegen vorgebracht habe, holt sie den Chef aus der Küche. So sitze ich wenige Sekunden später einem Inder gegenüber und versuche, mehr über den Job zu erfahren. Über die Anzahl der Arbeitsstunden kann er mir noch in gebrochenem Deutsch Auskunft geben. Auf die Frage, was er denn für jede Stunde Telefondienst bezahlen werde, schweigt er jedoch beharrlich. Um die Atmosphäre etwas zu lockern, erzähle ich ihm kurzerhand, dass meine Eltern mich im zarten Alter von vier Monaten bereits nach Indien geschleppt haben. Kurz scheint etwas Interesse in seinen Augen aufzuflackern.

„Bisch du Lärrerin?“, fragt er. (= Bist du Lehrerin?) So wage ich einen zweiten Vorstoß: „Sagen Sie doch mal, was sie ungefähr zahlen würden!“, bitte ich ihn freundlich, aber bestimmt. Wieder tut er, als höre er meine Frage nicht. „Mensch, die will wissen, wie viel du bezahlen tust!“, ruft Mandy-Sandy mit Nachdruck hinter der Theke hervor. „Konnsch du Somschdog orbeite?“ (= Kannst du am Samstag arbeiten?), ist jedoch das Einzige, was über seine Lippen kommt. (Seine Stimme gipfelt dabei am Ende des Satzes in einem eigenartigen Sing-Sang.) Ich beschließe, mich vom Acker zu machen – ohne seiner Bitte nachzukommen, meine Nummer zu hinterlassen.

Am nächsten Tag stoße ich in der Job-Börse des Studentenrates auf meinen Traumjob: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für ein internationales Fotografie-Festival – und das in meiner Stadt!

40 Stunden pro Woche, Vergütung nach Vereinbarung, entnehme ich dem Job-Angebot. Also ran an die Buletten!

Meinen Lebenslauf kann ich mittlerweile in drei Minuten umschreiben: Journalistin, PR-Frau, Gastronomie-Fachkraft, Kunst-Vermittlerin oder Sozialtante mit Pflege-Erfahrung? Für mich kein Problem. Zwei Klicks, und schon rangiert der wichtigste Praxis-Beleg auf Platz eins, alle restlichen Erfahrungen gruppieren sich (aus entsprechendem Blickwinkel betrachtet) darum.

Doch plötzlich kommt mir, es sei wohl besser, vorher noch mal die Festival-Koordinatorin anzurufen. So bin ich kurz darauf mit einer sympathischen Stimme verbunden, die sich sichtlich über meinen Anruf freut. Ich erzähle so ein bisschen von meinen Erfahrungen in Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, meiner Faszination für die Kunst. Mühevoll unterdrückte Begeisterung am anderen Ende der Leitung: „Das klingt ja alles ganz super!!!“

Auch hier frage ich vorsichtig nach der ungefähren Höhe der Vergütung.

Da setzt die Dame zu einem ideologiegeschwängerten Vortrag an. Sie erklärt mir, wie wichtig die Motivation für so ein Festival sei, dass man die Vision der Kunst in sich tragen müsse, dass Geld zweitrangig sei. „Das sehe ich doch auch alles so“, falle ich ihr nach einigen Minuten besänftigend ins Wort. Ein glückliches Seufzen von ihr macht mir Mut, und so erkläre ich: „Ich kenne die freie Szene ein bisschen und weiß auch, dass man da nicht das große Geld machen kann. Aber ich brauche Geld, um zu überleben. Selbst, wenn es nur sehr wenig wäre, würde ich den Job gerne machen. Wie viel bezahlen Sie denn?“, frage ich. Nachdem sie ein Weilchen herumgedruckst hat, bahnt sich schließlich die entscheidende Information ihren Weg. „Also, ja… hmmmmm… es ist unentgeltlich.“ Okay. Alles klar. Ich soll mal wieder die Welt retten. Davon kommt aber leider noch keine Milch in den Kühlschrank, kein Brot auf den Tisch.

„Aber ich glaube, Sie wären genau die Richtige für uns!“, haucht die Frau noch ins Telefon.


Versuch Nummer drei: Ein Freund informiert mich, dass in einem Biergarten Service-Personal gesucht wird. „Also ich würde dich als Biergarten-Besitzer sofort einstellen! Das passt doch total zu dir!“, meint er noch. Gib’s zu – du hast dir vorgestellt, wie ich in einem Dirndl aussehe!“, schlage ich zurück. Er errötet leicht. Also wieder fix zum Hörer gegriffen und den Biergarten-Chef angerufen. „Was studieren Sie denn?“, fragt er. Als ich unter anderem Theaterwissenschaft nenne, reagiert er äußerst begeistert: „Nu da könnten Sie ja e bissl schauspielern! Zum Beispiel e bissl reimen!“, schreit er euphorisch in den Hörer. „Zum Beispiel: Bei uns, do gibt’s eene Goose, die geht gleisch mäschdisch in die Hose!“
Scheiße, ich brauche Geld, denke ich und stimme in sein irres Lachen ein.


Schließlich verdinge ich mich wenige Tage später als Nazibraut auf der Flucht und spiele bei 30 ° C. in Originalklamotten als Komparse in einem dieser unerträglichen historischen Flucht-Filme mit. In Wollstrümpfen und klobigen Stiefeln, mit Kittelschürze, Wintermantel und Trümmerfrauenturban robbe ich bei Fliegeralarm unter wuchtige Autos und lasse die letzten Matrosen der deutschen Kriegsmarine an mir vorbeiziehen.

Ich war jung und brauchte das Geld, werde ich meinen Kindern später erklären.



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Wednesday, June 27, 2007


Das 80er-Mode-Revival

Was habe ich zu Beginn dieses Frühlings über das Revival der 80er-Mode geschimpft. Leggins, Miniröcke, billlige Sweat-Shirts in knalligen Farben mit sinnlosen Aufdrucken wie „Under the Rainbow“ oder „Saturday Night Girl“. Ich habe gelästert und gelacht, mir meinen Spaß mit den sogenannten „Fashion-Victims“ gemacht, die einfach alles tragen. Schließlich habe ich sogar Todesstrafe auf Leggins gefordert.

Bewahre, das Foto zeigt nicht mich! Hab ich heimlich bei ZARA geschossen.

Um so unverständlicher war es, als mich plötzlich der sogenannte „Lagen-Look“ in seinen Bann zog. Ich weiß nicht, was in diesem Moment in mich fuhr... Aber ich hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, unter meinen neu erworbenen kurzen Jeans-Rock eine schweinchenrosa Trainingshose (so eine mit Streifen auf der Naht) zu ziehen.
Eigentlich bilde mir ja auch ein, über ein nicht unbeträchtliches Maß an modischem Urteilsvermögen zu verfügen. Zumindest erkläre ich mir so die unzähligen Samstagvormittage, die ich vor H&M-Kabinen ausharrend verbrachte, um verzweifelten Freundinnen und Freunden mit Rat und Tat beim Kleiderkauf zur Seite zu stehen.

Und plötzlich so etwas: rosa Trainigshose unter blauem Jeansrock.

Nun ja. Wofür hat man eine beste Freundin? Das ist ein Notfall! Und so wähle ich mit zitternden Fingern die Nummer dieser guten Frau. „Duuuuu, ich bin kurz davor, die größte Modesünde meines Lebens zu begehen... es sei denn, du hältst mich davon ab!“, erkläre ich ihr mit einer Mischung aus zarter Abenteuerlust und dem starken Verlangen danach, dass einfach jemand kommt und mir sagt, was ich darf und was nicht.

Na, was willst du denn anziehen?“, fragt sie vorsichtig. Ich erkläre ihr, welche Modesünde ich zu begehen denke. Ich erinnere: rosa Trainigshose unter blauem Jeansrock.

Hmm“, brummt sie ins Telefon. (Sie will Zeit zum Überlegen gewinnen. Das merke ich schon.)

Du kannst das natürlich tragen! Wenn du bereit bist, den Blicken anderer stand zu halten... Und, wenn es dir nichts ausmacht, dass sie erst recht komisch gucken, wenn du morgen wieder in Jeans und Bluse aufschlägst“, meint sie. (Ihre Stimme klingt inzwischen so, als würde sie betont ruhig mit einem Kind reden, das am Telefon gerade erklärt hat, den Gashahn aufdrehen zu wollen.) Okayokay. Es liegt alles in meiner Hand.

Aber“, fügt sie besänftigend hinzu, „du könntest die Kombination ja auch erst mal zu Hause tragen. Du weißt schon: zum drangewöhnen.“

Sie hat Recht. Ich habe während des Telefonats bereits die rosa Hose ausgezogen und bin schon dabei, meine Beine mit Selbstbräuner tageslichttauglich zu machen. Aber die Hose wird diesen Sommer noch ihren Auftritt kriegen. Versprochen.

...die Fortsetzung

Heute ist es soweit. Der Tag ist gekommen!
Die Kombination aus rosa Trainigshose und blauem Jeansrock soll unter die Leute gehen. Eine Mischung aus übermütiger Stimmung und einem gewissen Maß an Extrovertiertheit verleiteten mich dazu, es zu wagen.
Um wirklich einen neuen Trend zu setzen, vollende ich diese Kreation noch mit einem rosa T-Shirt. Mutig verlasse ich das Haus und steuere den Supermarkt meines Vertrauens an. Nun wohne ich in einem Viertel, das zwar größtenteils mit Jungakademikern und Bürgerlichen bestückt ist, aber immer stärker drängt es auch Alternative in unsere Gefilde. Das heißt: In besagtem Supermarkt blickt man schon auch mal in ein Gesicht, das sieben Piercings zieren oder es reißt mal einer mit seinen Dreadlocks die Eier-Pyramide vor der Kühltheke um. Als ich in meinem detailvollendeten Trendsetter-Outfit auftauche, sind nur Normalos in Jeans und Pullis anwesend. Ich fühle buchstäblich, wie ich die Blicke auf mich ziehe. Ich bin unabhängig und stark! Ich setze Trends! Komisch, dass ich mich ganz schnell auf die Auswahl der allernötigsten Artikel beschränke, um zügig nur Kasse zu gehen. Der Verschluss der Gummibänder, die unten durch die Beine der Traningshose gezogen sind, schlagen mit jedem Schritt, den ich mache, auf den Boden und geben dabei ein eigenartiges Geräusch von sich: Als tapse ein Hund übers Parkett. Alles easy. Nur ganz schnell zur Kasse! Ich bewege mich in etwa so, als merke ich bei Nacht an einer dunklen Straßenecke, dass mir jemand folgt. ur nicht rennen. Das zeigt, dass ich Angst habe. Ruhig einen Fuß vor den anderen setzen, keine Panik zeigen. Als ich die Kasse erreicht habe, mustert die Kassierein mein Outfit mit fragendem Blick. Raus, aufs Rad und heim. Vielleicht ist heute doch kein so guter Tag, um einen kurzen Jeansrock über einer rosa Trainigshose zu tragen? Geschafft. Angekommen. Nur noch schnell das Rad im Hinterhof abgestellt. Aber wer wartet da? Mein konservativer Nachbar um die 70, der jedes Outfit meinerseits, jede neue Frisur und jede neue Haarfarbe meinerseits mit verwunderten Bemerkungen zu kommentieren weiß. Irritiert schaut er mich mehrmals von oben bis unten an. Schweißausbruch. Ich versuche, mich hinter meinem Fahrrad zu verstecken. Das Gute ist: Es ist auch rosa. Das Schlechte: Man kann sich hinter einem Fahrrad nicht verstecken.
"Nee, nee, nee!", raunt er mir in einer eigenartigen Stimmlage zu: "Sie sind ja heute ganz in rosa!" "Jaaaaaaaaa", antworte ich ihm mit nervöser Stimme. Mir entfleucht ein irres Lachen, und ich höre mich mit entschuldigender Stimme und leicht eingezogenem Kopf sagen: "Ich habe heute meinen verrückten Tag!". Ungläubig schaut er mir nach, wie ich die Treppen hoch stolpere und in Gedanken schon meinen Kleiderschrank nach den unauffälligsten Klamotten aller Zeiten durchforste.

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Monday, June 25, 2007

Ostdeutsch

Als ich vor fünfeinhalb Jahren nach Ostdeutschland kam, war ich voll und ganz auf neue Erfahrungen eingestellt. Nicht umsonst hatte ich eine Studienstadt gewählt, deren Geschichte einen anderen Blick auf die gesamtdeutsche Wirklichkeit wirft. Ich wollte raus aus dem Gewohnten. Auf zu neuen Ufern – ein Hoch auf die Bewusstseinserweiterung!

So sperrte ich mich auch keineswegs, als ich mit so manchen – als ostdeutsch geltenden – Gepflogenheiten konfrontiert wurde. So gewöhnte ich mich schnell daran, auf einer Party 24 Leuten in Folge die Hand zu schütteln oder ganz selbstverständlich meine Schuhe auszuziehen, sobald ich eine Wohnung betreten hatte. (Als ich meine Eltern beim ersten Besuch darum bat, ihre Schuhe auszuziehen, quittierte meine Mutter das übrigens mit einem entgeisterten Blick und sagte: „Wir sind doch keine Türken!“)

Auch die dicken Socken, die – was ein echter Ossi sein will – im Winter in der Tasche mit herumgetragen werden, um bei spontanen Hausbesuchen zum Einsatz zu kommen, waren kein Problem.
Nur bei einer Sache war ich mir sicher: Nie würde ich anfangen, ostdeutsch zu reden.
Mein Bruder hatte ja behauptet, hier sage man nicht: Da krieg ich ja 'ne Gänsehaut! - sondern (haltet euch fest!): Da krieg isch jo gleisch 'n Broiler-Kostüm! Dass das eine Finte war, hat sich bald herausgestellt. Um so mehr musste ich lachen, als ich neulich jemand hörte, der allen Ernstes meinte, er bekomme einen Erpel-Parka – als Synonym für eine Gänsehaut.
Als ich vor kurzem jemanden in Nordrhein-Westfalen besuchte, konfrontierte man mich dort mit der Aussage, man merke, dass ich schon so ein Weilchen in Ostdeutschland wohne: DU sprichst auch schon richtig ostdeutsch!
In der schlaflosen Nacht, die ich daraufhin hatte, ging ich im Geiste durch, wie ich zu sprechen pflege.
Okay, okay. Ich gebe zu: So mancher Ausdruck hat es mir angetan. So kam mir das herumrödeln (emsig und oftmals selbstvergessen an einer Sache arbeiten, deren Erfolg noch in den Sternen steht) sofort ganz leicht über die Lippen. Aber ist das ostdeutsch?
Gerne fuchse ich mich auch in etwas Neues ein. Zum Beispiel in die Bedienung eines mir unbekannten Programms – oder die Funktionsweise einer technischen Neuerung.
Aber – Hand aufs Herz – einfuchsen, das sagt man doch auch in anderen Regionen Deutschlands, oder?
Entspannt ließ ich mich in die Kissen sinken. Wieder zurückgekehrt in ostdeutsche Gefilde begann ich, meine Spontansprache einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.
Mit Erschrecken stellte ich fest, dass mir immer häufiger ein weeste (für weißt du), ein gedehntes ooch (auch) oder ein kleener (kleiner) Fauxpas herausrutscht.
Und nicht die ostdeutsche Aussprache allein war es, die mich erschreckte. Nein! Ich verwende ostdeutsche Begriffe! Die westdeutsc
he Tupperware® ist in meinem Sprachgebrauch schon lange zur ordinären Plasteschüssel verkommen. Entsetzt schaute mich ein ebenfalls westdeutscher Freund an, als ich ihm erzählte, die Leute seien am verkausfoffenen Sonntag wie die Bekloppten in die Geschäfte gerammelt. Ich war ja grade froh, dass mir nicht rausgerutscht war, sie seien in die Kaufhalle gestürmt. Ganz zu schweigen vom nebenan befindlichen Getränkestützpunkt.
Mach dir keine Platte
, sagte ich mir. Ich tröstete mich damit, dass mir immerhin diese unglaublichen Ossi-Abkürzungen wie Ellis (für Eltern) oder Effi (für FKK-Strand) bisher nicht über die Lippen kamen.
Dispatcher, Bückware, MuFuTi, Muttiheft und hastenichgesehen beschreiben hingegen Dinge, die es im Westen nicht gab. Im Nu wickle ich eine Schlagersüßtafel aus dem Silberpapier und kann mich im Restaurant auch problemlos für eine Sättigungsbeilage und das entsprechende Heißgetränk entscheiden. Alles keen Problem. Ich ruppe auch weiterhin übelst an der Strippe, da könnt ihr ningeln wie ihr wollt!
Doch dann kam es zum GAU: Ich ertappte mich dabei, wie ich von meiner Mutter erzählte und sie dabei – ganz selbstverständlich – MUTTI nannte. Nie, nie, nie in meinem Leben nannte ich die wundervolle Frau, die mich neun Monate unter ihrem Herzen trug, MUTTI.

Ich mache jetze los – egal wohin, Hauptsache, ich kann den Rest meiner ursprünglichen Sprache noch retten!

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Wednesday, August 02, 2006


Der wichtigste Abend im Jahr

Wenn sich ein wunderbarer Sommer dem Ende zuneigt oder ein feuchtkalter Herbst einen zu lang geratenen, klammen Frühling ablöst, dann schleicht sich ganz schnell ein Thema in die Gespräche ein:
Nein, nicht Weihnachten. Weihnachten überwältigt einen ja eher Jahr für Jahr mit ungeahnter Macht.
Man fühlt sich noch gar nicht so weihnachtlich, beklagt sich darüber, dass man nie zur Ruhe kommt, um bei Plätzchen und Kerzenlicht ein wenig über den Gehalt dieses Festes zu sinnieren. Von Geschenk-Einkäufen ganz zu schweigen. Aber das meine ich nicht.
Nein, was sich da wie ein widerwilliger Haken in unsere Gedanken verheddert, ist die große Frage:
Wie werden wir Silvester verbringen?
Monatelanges Planen, in dem der Ort festgelegt wird, Gästelisten geschrieben und Menü-Karten
erstellt werden oder man sich zumindest überlegt, mit welchen Freunden man auf welche Party gehen will,
das alles gibt es trotzdem nicht. Weil es nicht cool genug ist?
Nein. Lasst uns der Wahrheit ins Gesicht blicken: Weil wir die ganze Zeit hoffen, dass noch etwas Besseres kommt. Die ultimative Party in einer krassen Örtlichkeit (interessante Menschen und super Musik inbegriffen), die Spontan-Reise in die Hauptstadt oder nach Barcelona (natürlich ein Schnäppchen).
Manchmal nimmt einen auch noch die leise Hoffnung gefangen, man hätte vielleicht das Glück, bis zum Jahresende den absoluten Traumpartner kennen zu lernen. Da wäre es ja blöd, wenn man schon in silvesterliche Planungen verstrickt wäre. Nein, da möchte man doch ganz still und romantisch mit dem Herzblatt in einem Häuschen an der Ostsee sitzen. Draußen tobt der Sturm durch die Dünen, von Feuerwerk und Sektkorkenknallerei keine Spur, aber um Mitternacht würde man sich tief in die Augen schauen und sich ewige Treue schwören.
Die Realität – vier Tage nach Weihnachten – ist leider eine ganz andere.
Weihnachten ist geschafft, man weiß nicht, wie man die angefutterten Pfunde jemals wieder loswerden soll, und obwohl einen der Gedanke an Silvester mindestens seit September oder spätestens seit der Umstellung auf die Winterzeit begleitet, scheint einen das nahende Jahresende mit allen Feierlichkeitserwartungen mitten aus dem Nichts zu überraschen.
Wisst ihr, dass ich jedes Jahr platt bin, dass Silvester immer exakt eine Woche nach Heiligabend kommt?
Ich könnte wetten: Als ich klein war, lagen – zwischen diesen grandiosen, von Erwachsenenhand geplanten Großereignissen – Wochen!
Wie auch immer. Ist der Verwandtenbesuch abgereist, sind alle weihnachtlichen Geschenke-Austausch-Treffen geschafft, beginnt in einem die zarte Sorge zu nagen, man säße an Silvester vielleicht einsam und verlassen hinter einem dunklen Fenster, während der Rest der Welt sich amüsiert wie nie zuvor.
Dann startet dann panische Anrufe bei Freunden („Was macht ihr denn zu Silvester so?“), in denen man jedoch versucht, extrem lässig zu klingen (so, als hätte man rund 20 Einladungen und könne sich nur noch nicht entscheiden). Endlich: das erlösende Telefonklingeln, eine Einladung per Email oder besser noch persönlich.
Ein Platz für dich. An Silvester. Du bist e.i.n.g.e.l.a.d.e.n.! Aber darauf kann man sich dann ja auch nicht einlassen. Ha, das wäre zu einfach! Wer weiß: Wenn man nun zusagt – bei der besten Freundin „in kleiner Runde“ das Sektgläschen heben zu wollen – was könnte einem da alles entgehen! Vielleicht würde der gutaussehende Typ von nebenan am 31.12. (morgens, beim Bäcker) ein Gespräch anzetteln und ganz beiläufig fragen: „Und, was machst du so heute Abend? Ein Kumpel von mir macht 'ne Party. Magst du mitkommen?“
Hilfe, schon Nachmittag um vier, nur noch wenige Stunden trennen einen von SILVESTER!
Man könnte sich ja auch mal erkundigen, was die Eltern so machen...
Und dann stolpert man irgendwann, irgendwie mit irgendjemandem in irgendeine Richtung los, landet entweder tatsächlich auf der richtigen Party oder die Nacht gleicht dem ermüdenden Versuch, eben diese Party irgendwie zu finden: In einem Gewirr aus Handyanrufen, dem Inspizieren von Menschenansammlungen im öffentlichen Raum und stundenlanger Herumfahrerei mit Straßenbahnen, und Auto.
Ob der Abend gut wird, auf welcher Party man landet, mit wem man sich angeregt unterhält – das alles ist eine Frage des Zufalls. Wie an jedem anderen Abend auch. Nur dass man sich so viele Gedanken darum macht wie sonst nie.

Verfasst: Juli 2006















Mein Horror-Silvester

Auch, wenn es vielleicht klingen mag wie das Drehbuch eines neuen deutschen Films... es mir alles so passiert, wie ich es euch hier berichte:

Wir schreiben den Jahreswechsel 2002/2003. Alles wie beschrieben:
Die Frage, was ich machen würde, geistert mindestens seit Oktober durch meinen Kopf.
Mir und meinen Hoffnungen auf ein fulminantes Silvester-Ereignis angeschlossen hat sich meine Schulfreundin – nennen wir sie Christina. Nachdem wir mehrere Einladungen ausgeschlagen oder potentielle Gastgeber mit einem vagen: „Mal schauen, vielleicht kommen wir ja mal vorbei!“ abgespeist haben, rückt auch dieser 31.12. unaufhaltsam näher.
Schließlich beschließt man, „in kleiner Runde“ bei meinem guten Freund Tim zu feiern.
Die erlesenen Gäste sind: Tim, sein Geliebter Marc, seine psychisch labile Bekannte – die Mittvierzigerin Bettina – ich und meine Schulfreundin. Damit der Abend nicht am kulinarischen Genuss scheitert, wird ausgemacht, Raclette zuzubereiten, dessen Kosten man teilen wird. (Als ich später die Unmengen von teurem Raclette-Käse sehe, überlege ich kurz, ob ich verpasst habe, dass wir eine ganze Woche feiern wollen.)
Wohlwollend gestimmt, machen Christina und ich uns auf. Kaum hat Tim die Wohnungstür geöffnet,
blickte ich in seine, wunderschönen, nun aber von tiefer Traurigkeit durchdrungenen Augen.
„Kann ich dich mal alleine sprechen?!“ flüstert er mir zu. Natürlich.
Unter vier Augen – Christina findet sich derweil wunderbar allein in der fremden Wohnung zurecht (sagen wir: Sie hat die alkoholischen Vorräte gefunden.) – eröffnet mir Tim dann, dass sein Freund am Morgen eben dieses Silvestertages Schluss gemacht hat. Schluss machen zu Silvester – gute Wahl, gratuliere!
Hätte diese Knalltüte für seine Spontan-Aktion nicht einen der anderen 364 Tage dieses Jahres wählen können? Wie auch immer, ich halte das heute noch für eine besonders fiese Form des Verletzenwollens, die niemand verdient – schon gar nicht mein lieber Tim.
Nun ja, man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Soll heißen: Wenn heute Silvester ist,
dann wird trotzdem gefeiert.
Ein schön gedeckter Tisch, Unmengen von Essen und drei feierwillige junge Erwachsene.
Was soll denn da schief gehen können? Aber da war doch noch jemand... Genau: Bettina, die Frau,
die manchmal ziemlich krasse Filme schiebt und heute das Raclette-Gerät mitbringen soll.
Vor drei Stunden hatte Tim noch mit ihr telefoniert.
Doch wir warten vergebens. Also schieben wir den Raclette-Käse kurzerhand in den Ofen.
Schmeckt scheiße, muss man nicht ausprobieren. Die Tischgespräche landen doch immer wieder bei der spontanen Schluss-mach-Aktion von Marc. Einzig Christina prostet uns fröhlich zu, sie hat inzwischen die zweite Flasche Weißwein geleert und ist fest davon überzeugt, sich zu amüsieren. Tim – inzwischen ziemlich von Bettinas Ausbleiben beunruhigt, beginnt gegen 22 Uhr die Kliniken der Stadt abzutelefonieren. Es klingelt.
Aber nicht Bettina steht vor der Tür. Sondern Attila, ein cooler Kumpel von Tim. Der stammt ursprünglich aus Serbien und hat einen elendssüßen Akzent mit einem bezaubernden rollenden „R“. „Mensch, bei euch ist ja echt Stimmung!“, kommentiert er passend unsere obskure Runde. In Windeseile packt er uns in seinen alten Golf und dreht ein paar Runden durch die Stadt mit uns. Wir Mädels teilen uns die Rückbank mit einer riesigen, schwarz-roten Fahne, die Attila am Morgen gebastelt hat. Wir hören Helge Schneider und grölen vereint zu russischem Rock und schwenken die Fahne aus dem Fenster. Christina lächelt beduselt vor sich hin,
Tims Sorgenfalten glätten sich für einen Moment. Das ist der schönste Augenblick dieser Nacht.
Nun, Attila hat auch etwas vor mit dieser Fahne. Er will zu einer Demo fahren. Unglaublich, die Zecken dieser Provinzstadt können nicht mal am 31.12. das Demonstrieren lassen. Bin hier weggezogen, will die alle nie,
nie wieder sehen.
Aber allein sein will ich auch nicht. Also los in die „autonome Szene“ dieser ungenannt bleibenden Stadt.
Die Haare ins Gesicht geschoben, den Kopf weit zwischen die Schultern gezogen, den Blick auf den Boden gerichtet, lasse ich mich durch die Menge schieben und wünsche mich an jeden anderen erdenklichen Ort –
es kann nur besser sein als hier.
Immerhin: Eine Sache klärt sich: Auf der Demo treffen wir Bettinas Sohn – die verloren gegangene Raclette-Besitzerin. Von ihm erfahren wir, dass sie sich tatsächlich noch spontan in die psychiatrische Abteilung einer Klinik hat einweisen lassen. Zwischen dem Telefonat mit Tim und der Abfahrt der Straßenbahn war noch genug Zeit für einen Anruf ihres Ex-Mannes, der sie sehr durcheinander gebracht haben muss.
Mitternacht – Prosit, Neujahr! Schon fiepst das Handy und ich empfange Neujahrgrüße von meinen Geschwistern, die Silvester sicher ganz toll verbringen.
Christina (inzwischen hackedicht) beginnt, mit einem seltsamen Typen mit knallroten Dreadlocks herumzuknutschen.
Wie auch immer: Die Morgendämmerung kündigt sich an, ich sehe das Ende dieser schrecklichen Silvesternacht nahen.
Plötzlich stoppt jemand vor mir, schaut mich an und kreischt: „Hey, was machst DU denn hier?!“
Thomas, eine verzweifelte Verliebtheit aus Schulzeiten steht vor mir.
Erde, Erde, tu dich auf. Aber sofort.

Verfasst: Juli 2006

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Sunday, July 09, 2006

Was ist eigentlich ein "BLOG"?

Blog ist die Abkürzung für "Weblog", das sich aus "Web" und "Log" zusammensetzt.
"Log" kommt von "Logbuch" und dient einer journalartig geführte Aufzeichung von Ereignissen.
Beim "Weblog" handelt es sich um eine Website, die periodisch neue Einträge enthält - gewissermaßen ist es eine Art Internet-Tagebuch.